NABU-Thema im Januar: Wildkatzen in Gefahr?

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Kennzeichen

Buchstäblich auf leisen Pfoten erobert ein vormals fast ausgerottetes heimisches Raubtier immer weitere Reviere zurück: die Europäische Wildkatze. Sie ist eine echte Europäerin, heimisch von Portugal bis Russland, und besiedelt zwar vorwiegend Wälder, aber auch Auen, Moore, Küsten und Berge. Obwohl sie zu den Kleinkatzen zählt, ist sie mit bis zu 8 kg Körpergewicht und 65 cm Körperlänge massiger und stärker als die Hauskatze. Die Fellfarbe kann gelblich, rötlich oder grau variieren, aber der schwarze Rückenstrich und der kürzere, dicke Schwanz machen die Wildkatze unverwechselbar. Als tagaktiver Pirschjäger verlässt sie nur selten die Deckung, um ihre Beute – vor allem Mäuse, Ratten, Kaninchen, selten Vögel und andere – zu erlegen. Ihren Nachwuchs, meist vier Junge, zieht die Wildkatze in Höhlungen unter Felsen, Baumwurzeln oder Windwurf vom Frühjahr an auf.

Gestiegene Bestandszahl

So anpassungsfähig sie auch ist, die Wildkatze benötigt einen möglichst ungestörten Lebensraum mit hoher Artenvielfalt: Altwaldbestände statt parzellierte Stangenforste, Auwälder statt Kanäle in Agrarwüsten, Naturküsten statt Badestrände. Vielerorts gebieten Kostendruck und Gewinnzwang zwar weiterhin den maschinentauglichen Holzacker oder gleich einen Windpark, doch zum Glück werden immer mehr Staatsforste und Privatwälder naturgemäß bewirtschaftet. Dies zusammen mit der Einsicht der Jägerschaft, dass ihre Bejagung als vermeintlicher Konkurrent ein Irrtum war, haben dazu geführt, dass die Wildkatze, einst auf der Roten Liste, inzwischen zahlenmäßig als ungefährdet gilt.

Gesunkene Genvielfalt

Die Anzahl der Wildkatzen, ihr Bestand, ist also gewachsen. Eher gesunken ist allerdings ihre nicht minder wichtige genetische Vielfalt, und zwar aufgrund zweier Gefahren: Die erste ist der Straßenverkehr, dem zahlreiche Wildkatzen zum Opfer fallen. Häufig werden gerade junge Wildkatzen auf der Suche nach eigenen Streifgebieten überfahren. Das ist ein großes Problem für den genetischen Austausch der Populationen, denn die Lebensräume vieler Wildkatzenbestände sind durch die menschengemachte Zerschneidung der Landschaft voneinander isoliert wie Inseln im Meer. Dadurch kann es zur Inzucht mit entsprechenden Krankheiten kommen. Abhilfe können hier neben sicheren Querungen wie Wildbrücken nur besser vernetzte Lebensräume schaffen.

Hauskatzen bedrohen Wildkatzen…

Die zweite Gefahr droht durch Hauskatzen: Hauskatzen stammen nicht von der Europäischen Wildkatze ab, sondern von der Afrikanischen Falbkatze. Mehr als zwei Jahrtausende lebten Wild- und Hauskatzen in Europa nebeneinander her und paarten sich kaum. Doch biologische Forschungen zeigen, dass die sogenannte Hybridisierung – das Auftreten von Mischlingen aus Wild- und Hauskatzen – seit den 1950er Jahren massiv zunimmt und regional, so in Baden-Württemberg, den Fortbestand der Wildform bedroht. Die wachsende Hybridisierung hat zwei Ursachen: Zum einen finden Wildkatzen in ihren isolierten Lebensräumen keine Partnertiere mehr und weichen daher auf streunende Hauskatzen aus. Zum anderen überlappen sich Wildkatzenreviere und die Streifgebiete von Streunerkatzen immer stärker, so dass es zu immer häufigeren Begegnungen zwischen ihnen kommt. Um die genetische Vermischung von Wild- und Hauskatzen zu vermeiden und damit die „echte“ Wildkatze zu retten, wären die Kastration bzw. Sterilisation von Hauskatzen mit Freigang und die Entnahme von verwilderten Streunerkatzen extrem wichtig.

…und zahllose weitere Wildtiere

Damit würde zudem ein ökologisches Drama gemildert: Hauskatzen jagen und töten alle Tiere, die sie überwältigen können. Tatsächlich ist hierzulande und weltweit die Hauskatze zahlreicher vertreten und macht mehr Beute als alle anderen Raubtiere zusammen! Wissenschaftler der Auburn University bezeichnen sie daher als „hochproblematische invasive Art“. Doch durch Kastration und begrenzten Freigang könnten Katzenfreunde dafür sorgen, dass ihre geliebten Stubentiger keinen vermeidbaren Schaden anrichten.