Natur - gibt's das hier?

Naturschutz ist ja so ungeheuer wichtig – da stimmt jeder gerne zu. Aber was ist das überhaupt: Natur? Vom Menschen unberührte Räume wie Urwälder, Bergeshöhen und Wüsten können es hierzulande schon einmal nicht sein – in unserer Heimat ist praktisch jeder Quadratmeter irgendwann von Menschen bearbeitet oder anderweitig überprägt worden. Unsere „Natur“ stammt aus zweiter Hand und erfordert Entscheidungen: Wir müssen festlegen, welchen Umweltzustand wir anstreben, was dazugehören soll sowie ob und wie sich dieser Naturzustand verändern darf. Das mag erklärungsbedürftig erscheinen.

Beispiel Wald

Nehmen wir als erstes Beispiel den Wald: Die Waldbewohner Haselhuhn, Dompfaff, Waldlaubsänger und Gartenschläfer erscheinen uns schützenswert, dasselbe gilt für die Waldbewohner Tannenmeise und Kreuzschnabel. Nur: Diese Arten stellen recht unterschiedliche Ansprüche an einen Wald als ihren Lebensraum: Zum Beispiel profitieren z.B. Haselhuhn und Gartenschläfer von einer traditionellen Hauberg- oder Niederwaldwirtschaft, bei der etwa alle 20 Jahre die Bäume geerntet und dabei „auf Stock gesetzt" werden, so dass temporär Freiflächen entstehen, auf denen sich danach die Vegetation zunächst bodennah wieder ausbreitet. Hingegen ist Niederwaldwirtschaft für den Bruterfolg von Dompfaff und Waldlaubsänger von Nachteil, weil sie reife Wälder mit älteren Bäumen bevorzugen. Und die früher verbreiteten Nadelholz-Monokulturen werden zwar heute oft verteufelt, bieten aber Tannenmeise und Kreuzschnabel einen optimalen Lebensraum. (Nur nebenbei wollen wir erwähnen, dass Kahlschläge für Windkraftanlagen für manche unentbehrlichen Umwelt- und Klimaschutz darstellen, für andere jedoch äußerst schädliche Eingriffe in den Lebensraum praktisch aller Waldbewohner.)

Beispiel Feldflur

Ähnliches ließe sich für die Feldflur ausführen: Die Entscheidung, ob man zum Beispiel aus Naturschutzgründen zwar flächendeckend einheitlich, dafür aber extensiv wirtschaftet oder stattdessen ein Mosaik aus reinen Schutzflächen und konventionellen, intensiv bewirtschafteten Nutzflächen schafft, bestimmt über den Landschaftstyp sowie die Zusammensetzung und Entwicklung der Lebensgemeinschaften, die sich hier ansiedeln. Und für jede Variante sprechen gute naturschutzfachliche Argumente!

Beispiel Garten

Noch krasser sind die Kontraste in Parks und erst recht in Privatgärten, weil hier persönliche Vorlieben und Einstellungen dominieren: Vom peinlich aufgeräumten Baumarktgarten mit Mähroboter, Glanzmispel und Kirschlorbeer über den traditionellen bäuerlichen Nutzgarten mit gejäteten Obst-, Gemüse- und Blumenbeeten, den gemischten Freizeitgarten mit Rasenfläche, exotischen Zierpflanzen, aber auch wilden Ecken bis hin zum ökologisch motivierten artenreichen Wildgarten reicht die Bandbreite. Und jeder dieser Gärten gehört Leuten, die darin ihr persönliches Stück Natur erblicken!

Wir müssen entscheiden

Man sieht: Das einfache Wort „Natur“ hilft uns nicht weiter. Das beliebte Motto „Die Natur sich selbst überlassen“ hilft meist auch nicht, denn je nach Standort kann eine ungehemmte natürliche Sukzession z.B. seltene und artenreiche Trocken- und Magerstandorte in ökologisch eher durchschnittliche Busch- und Waldzonen verwandeln. Es hilft nichts: Wir müssen konkret definieren, welche Arten, Lebensgemeinschaften und Landschaftstypen wir auf einer konkreten Fläche etablieren wollen, wie wir auf natürliche Veränderungen dieser Fläche reagieren wollen und nicht zuletzt: was das Ganze kosten darf.

Natur als Kulturaufgabe

Den Ausgangspunkt dazu liefern Fachinformationen zur Geologie des fraglichen Areals und zum vorgefundenen Artenbestand. Feste Regeln wie zum Beispiel ein Baustopp bei Vorhandensein eines Ziegenmelkers oder eines Juchtenkäfers können sogar kontraproduktiv sein. Neben unentbehrlichem Fach- und Erfahrungswissen sind Pragmatismus, eine gewisse Demut und vor allem das Denken in Alternativen keineswegs von Nachteil.
Letztlich gilt, so ironisch es klingen mag: Natur ist das, was wir daraus machen! Oder mit dem berühmten Biologen Hubert Markl: Natur ist Kulturaufgabe.

© Frank Derer, NABU
© Volker Gehrmann, NABU
© Christine Kuchem, NABU

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