Biodiversitätskrise

In diesem Frühling zwitschern wieder die Vögel, die Blumen blühen und die Insekten summen – die Natur in Deutschland scheint also in Ordnung. Tatsächlich ist jedoch die Lage so dramatisch, dass der Fortbestand von mehr als der Hälfte aller Pflanzen- und Tierarten in Deutschland fraglich ist. Im Vergleich zum 19. Jahrhundert leben heute 80 Prozent weniger Vögel in Deutschland; allein seit 1965 ist die Individuenzahl der Vögel um zwei Drittel zurückgegangen. Zehn Brutvogelarten sind bereits ausgestorben, 20 Arten sind in den letzten 25 Jahren um mehr als die Hälfte geschrumpft, über die Hälfte nimmt stetig im Bestand ab. Damit könnte es bald mehr Menschen als Vögel im Lande geben! Und auch das einstige Billionenheer an Insekten wurde binnen 30 Jahren um unglaubliche 80 Prozent dezimiert. Von den früher überall vielgestaltig wuchernden Wildblumen und -kräutern sind bloß noch kümmerliche Reste verblieben. Diese Biodiversitätskrise kann auch unsere Nahrungsnetze zerreißen und ist mithin lebensbedrohlich für Pflanze, Tier und Mensch. Von Politikern wird sie z.B. in Koalitionsverhandlungen im Gegensatz zur Klimaerwärmung ungern diskutiert; weniger aufgrund der erforderlichen Milliardenbudgets für die Artenvielfalt als aufgrund der Tatsache, dass sämtliche Bauprojekte in Wald und Feld die Biodiversitätskrise verschärfen, selbst wenn sie dem Klimaschutz dienen sollen.

Ursachen

Hauptursachen für die katastrophalen Artenverluste sind erstens die Intensivierung der Landwirtschaft und zweitens Flächenversiegelung für Siedlung, Wirtschaft und Verkehr. Rund 95% der Landfläche sind inzwischen für wilde Arten pure Wüste. Ein Beispiel: Getreidefelder waren in Deutschland in den 1950er Jahren noch so stark von Wildkräutern durchsetzt, dass diese jedes Jahr rund eine Million Tonnen Sämereien freisetzten – beste Nahrung für Vögel und Insekten. Durch ertragsoptimierte Sorten und Pestizide liegt der Anteil an Wildkräutern heute nahe Null und mit ihnen sind die Tiere verschwunden.

Gegenstrategie

Als Gegenstrategie hat Deutschlands bekanntester Ornithologe, Prof. Dr. Peter Berthold, bereits 1988 einen neuen Weg zur Rettung der Artenvielfalt vorgeschlagen: Die Renaturierung landwirtschaftlich unergiebiger Flächen – gemeint ist steiniges, steiles, nasses oder mageres und deshalb meist billiges „Unland“ – auf den Gemarkungen aller rund 11.000 politischen Gemeinden Deutschlands. Neben den menschlichen Siedlungen könnten so kleine, aber ökologisch hochwirksame Biodiversitätsoasen auf rund 15 % der Gemeindeflächen geschaffen werden. Auf diese Weise würde ein deutschlandweiter Biotopverbund entstehen. Die Abstände der einzelnen Lebensräume würden rund zehn Kilometer betragen – eine Distanz, die die meisten Tiere und Pflanzen überbrücken können. Dadurch könnten sich stabile Populationen mit hoher genetischer Vielfalt etablieren.

Machbarkeit

Ein solcher Biotopverbund für Deutschland würde rund 4.000 Renaturierungsmaßnahmen erfordern. Die Kosten dafür wären mit maximal zehn Milliarden Euro zu veranschlagen: Kleingeld im Zeitalter der Sondervermögen! Zudem könnten dafür Stiftungen und private Spender gewonnen werden. Das ist keine weltfremde Utopie, sondern wird von Prof. Berthold und der Heinz Sielmann Stiftung seit 20 Jahren mit dem Biotopverbund Bodensee bereits praktisch umgesetzt, wo weit mehr als 100 Biotope neu geschaffen oder aufgewertet worden sind. Eine Vielzahl neu angelegter Weiher, Tümpel, Feuchtgebiete, Viehweiden, Streuobstwiesen, Trockenrasen, Feldhecken und kleiner Waldungen zeigt dort eine geradezu verblüffende Wiederbelebung der Artenvielfalt. Die Natur ist regenerationsfähig, wenn wir schnell und entschlossen handeln! Unter der Forderung „Jeder Gemeinde ihr Biotop“ stimuliert die Heinz Sielmann Stiftung seit zehn Jahren die Idee des Biotopverbundes in ganz Deutschland. Inzwischen ist daraus das Projekt „BiotopVerbund - Landschaft und Menschen verbinden“ (https://www.biotopverbund.de/) entstanden, das Gemeinden, Regionen und Einzelne darin unterstützen will, solche kostbaren Kleinbiotope zu schaffen, zu vernetzen und nicht zuletzt: zu finanzieren.

Quelle: https://www.sielmann-stiftung.de/natur-schuetzen/grundsaetze/biotope-verbinden

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