NABU-Thema im Dezember: Streuobstwiesen und Klimawandel

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Streuobstwiesen in Deutschland

In unserer Region prägen immer noch viele unregelmäßig gepflanzte hochstämmige Bäume auf Wiesenmatten und -hängen die Landschaft. Weil dort die Obstbäume meist „verstreut“ stehen, nennt man diese Flächen Streuobstwiesen. Ein Großteil der Streuobstwiesen wurde in den 1970er und 1980er Jahren zugunsten von Neubaugebieten prämiensubventioniert gerodet: Während es 1950 noch 1,5 Millionen Hektar Streuobstwiesen in Deutschland gab, sind es heute nur noch etwa 300.000 Hektar – ein Rückgang um 80%!

Ökologischer Wert

Das ist ein schwerer Verlust, denn Streuobstwiesen sind zugleich wertvolles Kulturerbe und unersetzliches Naturgut: Sie beherbergen allein in Deutschland über 1.000 Apfel-, Birnen-, Kirsch- und Walnusssorten und bieten Lebensraum für bis zu 5.000 wilde Tier- und Pflanzenarten. Damit sind Streuobstwiesen nicht nur eine lebendige Genbank, sondern sie zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Europas! Aus der großen Zahl an Bewohnern seien nur Steinkauz und Wiedehopf als Charaktervögel der Streuobstwiesen erwähnt. Übrigens findet auch die Honigbiene dort wertvolle und giftfreie Nahrung.

Umdenken

Glücklicherweise hat in den letzten Jahrzehnten ein Umdenken stattgefunden; vielerorts wurden alte Streuobstbestände wieder bewirtschaftet und neue Flächen angelegt. Aber damit ist es nicht getan: Um die Streuobstwiesen zu erhalten, müssen sie regelmäßig und arbeitsintensiv durch Mahd, Baumschnitt und extensive Beweidung gepflegt werden. Heute noch existierende Streuobstwiesen wurden auf geringwertigen Böden angelegt, die sich nicht für Getreideanbau oder auch nur Fettwiesen eigneten. Dieser Umstand führt im Klimawandel zu besonderen Problemen: Hitzeperioden, Wind und Dürre, überwarme Frühjahrsmonate, späte Nachtfröste und häufigere Starkregen können auch das eigentlich genügsame Ökosystem Streuobstwiese erheblich schädigen.

Klimastress begegnen

Was kann man dagegen tun? Zunächst sollte die Wiese mit einer Hecke umfriedet werden, die den Wind bricht und damit Austrocknung und Astbruch vorbeugt, die Taubildung fördert und bei Frost als Wärmefalle dient. Zudem ist eine Hecke der ideale Lebensraum für Igel, Mauswiesel, Amphibien, Eidechsen, Insekten und Singvögel und im humosen Boden unter Hecken gedeihen Pilze und Bodenorganismen wie Springschwänze und Asseln, die den Wiesenboden beleben und befruchten. Sterbende alte Obstbäume können je nach vorhandenem Platz als Torsi und Totholz verbleiben. Lebensfähige Altbäume sollten einen vorsichtigen Kronenpflegeschnitt erhalten, um Windlast und Verdunstung zu vermindern und den Neutrieb anzuregen. Zur Beseitigung von Konkurrenz sollte zudem Fremdverbuschung entfernt werden.

Schonende Bewirtschaftung

Als nächstes ist die Bodennutzung zu bedenken: Bestens geeignet ist eine Beweidung mit Schafen, Kühen, Pferden (Baumschutz nicht vergessen). Auch eine halbjährliche Mahd zur Futtergewinnung ist denkbar. Um dem Hitzestress und der Bodenauswaschung entgegenzuwirken ist allerdings Mulchen noch günstiger, weil es den Boden schützt, Nährstoffe zurückführt und die Humusbildung fördert. Dabei sollten möglichst keine schweren Maschinen insbesondere im Kronenbereich der Bäume eingesetzt werden, da sie den Boden verdichten, seine Wasser- und Luftkanäle zerpressen und Symbiosepilze zerstören. Dadurch würde die Versorgung der feinen Baumwurzeln mit Wasser, Luft und Nährstoffen behindert und das Baumwachstum gestört.

Neuanlage

Bei Neupflanzungen muss zuerst die geeignete Anzahl an Bäumen bestimmt werden. Neben den Platzverhältnissen ist sicherzustellen, dass man die Bewässerung der Jungpflanzen in Dürreperioden bewältigt. Bei der Sortenwahl sollte der Schwerpunkt auf bewährten, resistenten, standortangepassten Hochstamm-Regionalsorten liegen. Daneben sollten aber auch Neuzüchtungen und eingeführte Sorten aus anderen Klimaregionen zum Zuge kommen, um Diversität und Variabilität zu erhöhen. Speziell spätblühende Sorten sind erfolgversprechend. Generell sollten die Sorten auf starkwüchsigen Sämlingsunterlagen veredelt worden sein, die den Boden rasch erschließen und die Nährstoffversorgung optimieren. Wer so vorgeht, vom Standort ausgehend seine Ziele definiert und Bestockung und Pflege plant, wird auch im Klimawandel gute Aussichten auf eine blühende und vitale Streuobstwiese haben. (Foto: NABU/H.Huber)