NABU-Thema im Juli: Bedrohte Unkräuter

Unkraut, Beikraut, Wildkraut?

Sind es Unkräuter? Beikräuter? Wildkräuter? Der Name, den wir diesen mal unscheinbaren, mal wunderschönen Pflanzen geben, die ohne unser Zutun auf unseren Kulturflächen sprießen, zeigt unsere Einstellung zu ihnen: Wildkräuter dürfen oft stehenbleiben, Beikräuter vielleicht auch noch, aber störende Unkräuter müssen weg! Daher jäten wir sie aus, graben sie unter, spritzen sie nieder und freuen uns – meist nur für kurze Zeit – an unseren gründlich gesäuberten Beeten, Feldern und Wegrändern. Hier und da mag das ja nötig sein, damit zum Beispiel nicht im Garten der Löwenzahn unsere Erdbeeren überwuchert oder auf dem Acker die Kratzdistel den Weizen durchsetzt. Es gibt jedoch sehr gute Gründe dafür, die Ablehnung vieler „Unkräuter“ zu überdenken.

Was ist „Unkraut“?

Zunächst: Was ist das eigentlich: „Unkraut“? So werden in der Herbologie – der Unkrautkunde – solche Pflanzen bezeichnet, die entweder mit angebauten Nutzpflanzen in Konkurrenz um Nährstoffe, Licht, Wasser und Boden treten oder die Bewirtschaftung einer Fläche erschweren (speziell wenn sie sich massenhaft verbreiten) oder Infrastruktur wie Bahngleise und Parkplätze überwuchern oder durch ihre Giftwirkung die Nutzernte unbrauchbar machen (wie Jakobs-Kreuzkraut und Herbstzeitlose in Heu) oder als Neophyten angestammte Pflanzen verdrängen oder schließlich das ästhetische Empfinden der Menschen stören, zum Beispiel in Parks.

Ja, das sind grundsätzlich Probleme und echten Schädlingen sollte man entgegenwirken. Aber von den über 600 Wildpflanzenarten, die wir deswegen mit Herbiziden oder mechanisch bekämpfen, ist nur etwa ein Sechstel nennenswert schädlich.

Nützliches Unkraut!

Viele sind hingegen höchstens lästig, zugleich aber oft unerkannt nützlich: So wurde im Altertum unser heutiges Brotgetreide Roggen als Unkraut in Weizenfeldern bekämpft, bis ins 18. Jahrhundert galt der köstliche Feldsalat als Unkraut und die Rauke, heute als Rucola-Salat begehrt, wurde sogar noch vor 30 Jahren als Unkraut gerupft! Eine Reihe von Unkräutern sind zudem wichtige Heilpflanzen, z. B. Kamille, Spitzwegerich, Ackerschachtelhalm und Brennnessel. Und als Urformen heutiger Nutzpflanzen bilden Unkräuter ein wichtiges Gen-Reservoir für die anfälligen Hochleistungs-Kulturformen. Dass Wildkräuter die Existenzgrundlage unzähliger Tierarten bilden und das bekannte Insektensterben sowie der Schwund an Singvögeln oft an ihrem Fehlen liegen, hat sich längst herumgesprochen.
Sogar in Landwirtschaft und Gartenbau können Unkräuter Nutzen stiften: Sie fördern die Bodengare, indem sie den Boden durchwurzeln und zwischen den Kulturpflanzen vor Sonneneinstrahlung schützen. Auf Feldern, die wie z.B. Maisäcker lange Zeit ohne Bewuchs bleiben, können sie der Erosion entgegenwirken. Dasselbe gilt für Weinberge – hier ermöglicht ein Bewuchs mit niedrigen Pflanzen teilweise erst das Befahren. Im Rahmen der biologischen Schädlingsbekämpfung bieten insbesondere blühende Unkräuter Schlupfwespen, Raupenfliegen und anderen Nützlingen Nektar und Pollen als Nahrung. Und in Städten kann Unkraut einen Beitrag zur Verringerung der Sommerhitze leisten, da bestimmte Unkrautarten durch Verdunstung die Bodentemperatur um mehr als 20°C senken können, wenn sie in Pflasterfugen wachsen.

Bedrohtes Unkraut!

Angesichts dieser Fakten ist es erschreckend, dass durch die Intensivierung der Landwirtschaft und rabiate Gartenhygiene inzwischen ein Drittel der rund 600 „Unkräuter“ als vom Aussterben bedroht auf der Roten Liste steht – von den Ackerwildkräutern sogar zwei Drittel! Kornblume und Ackerrittersporn waren in unserer Kindheit Allerweltskräuter; heute findet man sie kaum noch. Und mit jedem Unkraut, das verschwindet, verlieren durchschnittlich 13 Insektenarten ihre Lebensgrundlage!

Unkraut retten!

Was ist zu tun? Das, was wir zu diesem Thema immer sagen: In Feld und Flur müssen mit ungespritzten Ackerrandstreifen, Feldwegen und Brachen Artenschutzzonen erhalten und mit aktiv angelegten Wildkrautäckern und Blühstreifen weitere geschaffen werden. In unseren Ortschaften müssen wir öffentliche Grünflächen gezielt „verwildern“ und dazu in Parks und Gärten „wilde Ecken“ zulassen. Und generell sollten wir vor jedem Spritzen und Jäten kurz innehalten und darüber nachdenken, ob der geplante Vernichtungseinsatz gerade wirklich nötig ist oder ob wir uns die mühsame, stundenlange Arbeit mitunter nicht einfach ersparen sollten.

© Roswitha Adler
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© NABU / Christoph Kasulke
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