Geliebt, gefährdet

Menschen mögen Igel! Nicht nur, weil der Igel harmlos und nützlich ist, sondern weil wir ihn einfach als süß, drollig, herzig empfinden. Als nachtaktiver Jäger ist er zwar selten zu entdecken, doch im Garten oder unter Hecken macht er sich durch Laubrascheln und Grunzen bemerkbar. Zu sehen bekommen wir Igel leider meistens als überfahrene Kadaver am Straßenrand. Und von diesen immer weniger, denn die Igelpopulationen schrumpfen rapide.

Merkmale

Unser West- oder Braunbrustigel (Erinaceus europaeus) lebt in ganz Europa westlich von Polen und der Slowakei, dazu in Skandinavien. Ausgewachsen kann er 20-30 cm lang werden und vor seinem fast halbjährigen Winterschlaf bis zu 1,5 kg wiegen. Die Hälfte dieses Gewichts verliert er im Schlaf bis zum Frühjahr. Typisch ist sein braunmeliertes Schutzkleid aus bis zu 7.500 Stacheln über einem grauen bis dunklen Fell. Die Beine sind kurz und kräftig, der Kopf ist mit einer langen, beweglichen Schnauze versehen. Die Augen sind rund und klein, die Ohren sind ebenfalls klein und fast völlig im Fell verborgen. Sehen kann er schlecht, stattdessen orientiert sich der Igel über Gehör, Geruchs- und Tastsinn. Vielfältig sind seine Lautäußerungen: Schnaufen, grunzen, schnarchen, röcheln und keckern, sogar husten, kreischen und bellen kann er. Der Igel zählt mit Maulwurf und Spitzmaus zu den Insektenfressern. Gerne nimmt er Regenwürmer und Schnecken, dazu mitunter Aas. Aber auch Früchte, Beeren, junge Triebe und Wurzeln gehören zu seinem vielfältigen Nahrungsspektrum.

Schwindender Lebensraum

Durch die Flurenverödung findet man Igel heute überwiegend auf Sekundärhabitaten wie Streuobstwiesen und in naturnahen Siedlungsbereichen: Wie viele andere Wildtiere hat es den Igel schon längst in die Nähe des Menschen gezogen, weil Friedhöfe, Gärten und Parks ihm häufiger jene Strukturen bieten, die er in den Monokulturen der ausgeräumten und totgespritzten Feldflur nicht mehr vorfindet. Denn er sucht Hecken, Reisig, Laub, Kompost, Wiese, flache Teiche und Wildwuchs. In dieser ökologisch reichen Umgebung findet der kleine Räuber seine Kost, darunter Fraßschädlinge, die dann den Gärtner nicht mehr ärgern. Sein steter Hunger erfordert ein größeres Revier aus mehreren zugänglichen Gärten. Die sich oft überlappenden Igelreviere können bis zu einem Quadratkilometer umfassen, in denen die verträglichen Einzelgänger nachts drei bis fünf Kilometer zurücklegen.

© NABU / Jan Piecha

Vielfältige Bedrohungen

Igelfeindlich sind dagegen ausgeräumte, flachgemähte Gärten mit sterilem Immergrün. Todesgefahr droht ihnen dort zudem von Schnecken- und Insektengift, Mause- und Rattenfallen, inzwischen vor allem von der permanenten Mahd bis in den letzten Winkel mit Mährobotern. Sie verschuldet Unmengen an schwerverletzten Igeln und Blindschleichen. Und auf der angrenzenden Straße lauert die nächste Todesgefahr für den Igel: das Auto. Nicht seine angestammten Feinde Dachs und Eule, sondern der Straßenverkehr, die allgegenwärtigen Waschbären und vor allem der Lebensraumverlust haben den gesetzlich streng geschützten Igel inzwischen zu einer bedrohten Art werden lassen, die regional bereits ausgestorben ist und flächendeckend zurückgeht: Zählungen sind schwierig, aber man schätzt für ganz Europa eine Bestandsabnahme von 30% in zehn Jahren, für Bayern sogar 50%!

Problem Winterschlaf

Eine Rolle spielt auch der Klimawandel, denn die durch Insektenmangel ohnehin schwachen und mageren Igel kommen bei den nun höheren Wintertemperaturen zu selten in den energiesparenden Tiefschlaf, wachen zu früh auf oder verhungern im Winterquartier. Gerade jetzt im Spätherbst sind erschöpfte Igel anzutreffen, denen dieses Schicksal droht. Wer ihnen helfen möchte, beherzige bitte die Tipps unserer NABU-Kollegen aus dem Odenwald.

Igelfreundlicher Garten

Wer bei sich daheim dem Igel eine Chance geben will, der spart sich im Garten am besten erst einmal Arbeit: Pedantisches Ausputzen jeder Ecke, strenges Räumen von Laub und Reisig, durchgeplante Kargheit halten Igel, Blindschleiche, Falter und Biene fern, nur die Nacktschnecken bleiben. Wer letztere unbedingt bekämpfen will, verwende bitte nicht das normale, sondern das teurere, weil igelunschädliche Schneckenkorn. Viel besser ist es, etwas Wildwuchs aus heimischen Schutz- und Nutzpflanzen zuzulassen, der dann von Igeln und anderen tierischen Helfern besiedelt werden kann. Die Anlage von reisiggestützten Laubhaufen oder das Aufstellen spezieller Igelhäuser tun ihr Übriges. Ein solcher tierfreundlicher, ökologisch aufgewerteter Garten bietet Blüten, Duft, Früchte und Einblicke in die Natur für Alt und Jung und ist somit auch besonders menschenfreundlich. Und wer weiß, vielleicht haben seine Besitzer ja irgendwann das Glück, eine Igelmutter mit ihren Jungen bei sich zuhause erleben zu dürfen?

© Marc Scharping

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