April 2023: Honigbienen und Wildbienen

Nutztier Honigbiene

Noch bevor das „Insektensterben“ ins gesellschaftliche Bewusstsein drang, war das „Bienensterben“ in aller Munde: Durch Parasiten, Krankheiten, Pestizide und zudem die sinkende Imkerzahl ging der Bestand europäischer Honigbienenvölker jährlich um ein Fünftel zurück. Eine dramatische Entwicklung, denn sämtliche Nutzpflanzen außer Getreide und Kartoffeln sind auf Insektenbestäubung angewiesen – nach Rind und Schwein ist die Honigbiene das volkswirtschaftlich drittwichtigste Nutztier Europas!

Imker sichern den Bestand

Diese Entwicklung hat sich seit etwa zehn Jahren zum Glück umgekehrt, denn die Imkerei trendet gerade auch unter jungen Leuten: Heute gibt es in Deutschland fast doppelt so viele Imker wie noch 2009 und die Zahl der Bienenvölker ist erfreulicherweise um rund 40% gestiegen. Doch das allgemeine Insektensterben und mit ihm der beängstigende Schwund an Wildbienen, Hummeln und Schwebfliegen setzt sich ungehemmt fort. Immer öfter wird daher diskutiert, in welcher Beziehung Honig- und Wildbienen eigentlich zueinander stehen.

Wilde Bienen

Auffällig sind nämlich die biologischen Unterschiede: Weltweit gibt es nur neun Arten von Honigbienen, davon acht in Asien. Eine einzige Art, die Westliche Honigbiene, wird inzwischen weltweit eingesetzt. Im Gegensatz dazu beheimatet Europa mehr als 2.500 Wildbienen- und Hummelarten, davon 560 allein in Deutschland. Honigbienenvölker umfassen bis zu 50.000 Individuen und leben in Stöcken, Wildbienen hingegen sind überwiegend Einsiedler und die Hälfte der Wildbienenarten nistet unter der Erde. Weitere Nistplätze bieten ihnen morsches Holz, Pflanzenstängel und sogar leere Schneckenhäuser.

Viele Spezialisten

Etwa ein Drittel der Wildbienenarten sind auf wenige Pflanzenarten spezialisiert und stehen mit diesen in einer existentiellen Symbiose aus Nektarnahrung und Bestäubung. Solitär lebende Wildbienen stellen keinen Honig her, entfernen sich bei der Futtersuche bloß 70 bis 500 Meter von ihrem Nest und nisten daher nur an Orten, die sowohl Nistmaterial als auch die richtige Nahrungsquelle bieten.

Vielfalt bevorzugt

Dagegen ist die Honigbiene eine Vorrat haltende Nahrungsgeneralistin mit einem Aktionsradius von bis zu 7 Kilometern. Man sieht: Wildbienen sind in viel stärkerem Maße auf arten- und strukturreiche Biotope in einer intakten Landschaft angewiesen. Ein riesiges, monotones Rapsfeld mag für Honigbienen durchaus ein Schlaraffenland sein – für viele Wildbienen und Hummeln ist es eine Wüste!

Die Verletzlichkeit der Wildbienen war Anlass wissenschaftlicher Forschung zu der Frage, ob das hochgezüchtete landwirtschaftliche Nutztier Honigbiene eine bedrohliche Konkurrenz für seine wilden Verwandten darstellt. Immerhin nutzen Honig- und Wildbienen oft dieselben Nahrungsressourcen; dazu verbreiten sich Krankheiten, die auch Wildbienen gefährden, leicht in den vollen Bienenstöcken und über die ausfliegenden Arbeiterinnen. Damit wäre die Vermehrung der Honigbienenvölker sogar naturgefährdend!

Naturschutz zum Überleben

Und tatsächlich konnte in vielen Untersuchungen nachgewiesen werden, dass Anzahl und Diversität wilder Bienen, Hummeln und Schwebfliegen in einem Biotop mit wachsender Honigbienendichte merklich abnehmen. Das ist noch kein Argument gegen die Imkerei! Jedoch sollten in Naturschutzgebieten möglichst wenige Bienenstöcke aufgestellt und Blühflächen aus solchen Pflanzen angelegt werden, die attraktiver für Wild- als für Honigbienen sind.

Zudem darf nie der „Elefant im Raum“ vergessen werden: Eine übermächtige Konkurrenz für Wildarten werden Honigbienen nur in Mangellagen, das heißt dann, wenn Blühflächen zu klein und Futterpflanzen zu selten sind, wenn strukturarme Kulturflächen keinen Unterschlupf bieten, wenn Pestizide Pflanzen und Tiere vergiften. Diese menschengemachte Naturzerstörung ist somit das eigentliche Problem und weniger die mögliche Dominanz der Honigbienen in einer unzureichenden Restnatur.